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Das spannende Rennen um IT-Fachkräfte

Der IT-Fachkräftemangel ist in aller Munde, die Medien überschlagen sich mit alarmierenden Nachrichten. Aktuell scheint es kaum ein Unternehmen zu geben, das nicht über Probleme klagt. Unternehmen schaffen es immer schwerer, das gewünschte oder erforderliche Tempo der Digitalisierung bei entsprechender Qualität der Umsetzung zu gehen.

Dass IT-Fachkräfte fehlen, ist unbestritten. Ebenso die damit einhergehenden Probleme.

Dabei sind viele Probleme oft hausgemacht. Ein Aspekt wird in diesen Diskussionen nämlich gerne übersehen: der schwierige Umgang von Unternehmen mit ihren IT-Mitarbeitern. Viele Unternehmen tun wirklich alles, um ihre Mitarbeiter zu vergrämen – und wenden hierfür oft geradezu perfekte Kochrezepte an.

Von Rezepten für hausgemachte Probleme …

„Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut“ hört man von vielen Unternehmen. Oftmals sind das aber nur Lippenbekenntnisse, die Realität sieht anders aus.

Ungenügende Wertschätzung von Erreichtem bei gleichzeitig hohen Arbeits- und Projektlasten drücken auf die Motivation und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern und IT-Organisationen. Vielfach ist die Sinnhaftigkeit ihres Tuns und ihr Wertbeitrag zur Erreichung von Unternehmenszielen für Mitarbeiter nicht mehr klar erkennbar. Mitarbeiter fühlen sich ausgenutzt oder verheizt.

Zur Lösung der drängendsten Themen werden aus IT-Sicht oft nur kurzfristige Ziele verfolgt, aber keine nachhaltigen Lösungen implementiert. Themen werden oft nur oberflächlich als „Husch- Pfusch“ Implementierungen in Form unflexibler IT-Unterstützung der wichtigsten Prozess-Elemente gelöst.

Weniger oft verwendete Varianten werden – trotz absehbarem Änderungsbedarf – nicht behandelt. Werden Änderungen dann tatsächlich erforderlich, wird´s schwierig. Systeme mutieren zu tickenden Zeitbomben: Bei wirklichen Belastungen in Form rasch erforderlicher Änderungen, gleichzeitiger Skalierbarkeit, Flexibilität etc. droht rasch der GAU. Dringendes wird kaum noch von Wichtigem unterschieden. Aktionitis regiert.

Es liegt nahe, dass beteiligte Mitarbeiter durchaus zum Schluss kommen: Besser, man verlässt das Schiff und orientiert sich anderweitig. Gerade gute IT-Mitarbeiter sind traditionell mobil und orientieren sich dorthin, wo gerade „der Rauch aufgeht“, spannende Themen und gutes Betriebsklima zu finden sind und auch ordentliche Rahmenbedingungen gelten. Als gesuchte Fachkräfte sind sie schnell weg vom Unternehmen. Und damit auch sehr viel Knowhow um betriebliche Abläufe und komplexe Zusammenhänge.

Die verbleibenden Mitarbeiter kämpfen mit Knowhow Verlust und gehen oft – schon alleine aus Kapazitätsgründen – in der zu bewältigenden Themenfülle unter. Mangels intensiver Kenntnis der Unternehmens-Spezifika – wie sie langjährige, erfahrene Mitarbeiter aufbauen konnten – können sie Themen nur ungenügend und mit wenig Weitblick lösen.

Das fehlende Knowhow führt aber auch dazu, dass mehr und mehr Knowhow in den IT-Systemen steckt bzw. in die IT-Systeme verlagert wird. Der Pferdefuß dabei: Mangels langjähriger Knowhow Träger, welche auch um die Feinheiten von Prozessabweichungen wissen, werden die Systeme mehr und mehr zur Blackbox. Und um schnell voranzukommen, wird wieder nur auf rudimentäre Provisorien gesetzt. Für sauberes Refactoring fehlt es an Knowhow, meist bleibt auch gar keine Zeit.

Ein Teufelskreis.

Die Pandemie und ihre Folgen wirken wie Brandbeschleuniger und etliche – meist große – Firmen sitzen auf einem Pulverfass: Der durch hohe Fluktuation verschärfte Brain Drain wird ergänzt und getrieben von Drilldown Managern, die beseelt sind, Kennzahlen zu optimieren und fokussiert auf ihre Quartalszahlen die Optimierung des eigenen Incentives vorantreiben, egal, ob etwas langfristig zielführend ist oder nicht. Dabei vergessen oder übersehen sie aber oft ihre eigentliche Aufgabe – das Führen ihrer Mitarbeiter.

Kommerzielle Erfordernisse und Implikationen versteht jeder Mitarbeiter, aber die Art und Weise, wie oft in höheren Etagen agiert und auch kommuniziert wird, steht oft in krassem Widerspruch zu Versprochenem und Erklärtem. Mitarbeiter merken sich das.

… und ihren Auswirkungen …

Die Binsenweisheit „Gute Mitarbeiter zu finden, ist schwer, sie zu halten, noch schwerer“, kennen alle. Gute Leute, die das Unternehmen verlassen, ziehen andere Leute mit. Auch das wissen alle.

Dass der Arbeitsmarkt um IT-Fachkräfte angespannt ist, ist unbestritten. Natürlich spielen viele Faktoren zusammen, Ursachen sind vielfältig. Eine banale Erkenntnis zeigt sich aber immer wieder: Der Mensch ist DAS zentrale Element – und der wird gerne vergessen.

Erfahrene IT-Mitarbeiter gehen weg, neue Mitarbeiter sind kaum zu finden, selbst pandemie-bedingte Berufswechsler und IT-Neulinge sind schnell vom Arbeitsmarkt aufgesaugt. Und da auch andere Unternehmen Recruiting Probleme haben, kann man komfortabel mitjammern, keine Fachkräfte zu finden.

Dabei versuchen Unternehmen vielfach die Quadratur des Kreises: sie wollen Erfahrung, aber keine „alten Haudegen“, sondern lieber „junge, dynamische“ Mitarbeiter. Die sind zwar oft inhaltlich ahnungslos, aber leichter steuer- und beeinflussbar. Sie sollen auch möglichst wenig kosten – die Kennzahlen lassen ja grüßen.

Die meisten Unternehmen stellen durchaus gerne ein. Frisches Blut und Knowhow ist gut, eine gewisse Fluktuation auch durchaus gesund. Meist möchte man sich eher von Schlecht-Performern trennen, in der Praxis funktioniert es aber meist umgekehrt: gerade die guten Mitarbeiter gehen als erstes.

Trotz Knowhow Verlust und Wehklagen geht es immer wieder halbwegs weiter, vielfach ist es allerdings ein Tänzeln am Rande des Abgrunds.

Durch fehlende Produktivität werden Umsatzeinbußen verursacht bzw. gehen lukrative Geschäfte dadurch verloren. Wie viel Produktivität konkret verloren geht, ist schwer erfassbar. Das „Positive“ dabei: Um wie viel etwas besser funktioniert hätte, hätte man besser auf seine Mitarbeiter geschaut, ihre Erfahrungen nützen können und müsste Lernkurven nicht wieder neu durchlaufen – diese Frage wird meist gar nicht gestellt oder nicht sehr weit verfolgt.

Sünden im Umgang mit Mitarbeitern werden zwar gerne ignoriert, rächen sich jedoch immer stärker. Was also tun?

… zu gar nicht so neuen Lösungsansätzen …

Den vielen Unken-Rufen zum Trotz lassen sich aber durchaus auch Unternehmen beobachten, die kaum Probleme mit Mitarbeiter- und Knowhow Fluktuation haben bzw. sich im Recruiting auch wesentlich leichter tun. Diese Unternehmen zeichnen einige Faktoren aus:

  • Dort agieren Führungskräfte, die ihre Führungsverantwortung tatsächlich wahrnehmen und die als Führungskräfte akzeptiert sind. Die gute Mitarbeiterführung betreiben, Orientierung geben, klar kommunizieren und wertschätzenden Umgang pflegen. Dort werden meist auch klare Regeln gelebt und nachvollziehbar Konsequenzen gezogen.
  • Die nachhaltige Personalentwicklung betreiben. Weniger erfolgreiche Unternehmen lassen beim Recruiting gerne interne Potentiale liegen – oft scheint es einfacher, jemanden vom Markt zu holen, als internen Mitarbeitern Chancen (inklusive des Einräumens der Möglichkeit zu scheitern) für ihre Weiterentwicklung zu geben. Diese Unternehmen schaffen es, interne Potentiale an Fachkräften und Nachwuchsführungskräften zu nutzen. Gleichzeitig betreiben sie sorgfältiges Recruiting und beweisen dabei viel Gespür in der Auswahl der „richtigen“ Mitarbeiter.
  • Die ihren IT-Aktivitäten und -Projekten entsprechende Zeit für saubere Lösungen und erforderlichem Refactoring einräumen und genügend Raum für leistungsfähige Architektur- und Technologie-Weiterentwicklung geben. Meist wird aktiv Portfolio Management betrieben, um richtige Prioritäten zu setzen.
  • Die auf eine gute Mischung aus Erfahrung und frischem Blut setzen:  Neue Mitarbeiter bringen neues Wissen, neue Sichtweisen und Ansätze ein, gleichzeitig werden erfahrene Mitarbeiter Wert geschätzt, die oft überproportional zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen und ihr Knowhow und ihre Erfahrung an die neuen Mitarbeiter weitergeben.

Gerade dieser letzte Faktor trägt wesentlich zur Resilienz dieser Unternehmen bei. Der Begriff Resilienz ist in aller Munde. Viele verstehen darunter die in der Pandemie gesehenen logistischen Versorgungsengpässe. Der Resilienz der Organisation selbst, d.h. der Fähigkeit des Unternehmens und seiner Mitarbeiter, rasch, flexibel und zielführend auf Änderungen zu reagieren, kommt entscheidende Bedeutung zu.

Und die funktioniert nur mit erfahrenen, motivierten Mitarbeitern!

… und tatsächlichen Neuerungen

Abgesehen von der erfolgreichen Erledigung von Hausaufgaben: Unternehmen werden sich in Zukunft deutlich mehr anstrengen müssen, um für die richtigen Mitarbeiter attraktiv zu sein.

Was früher funktioniert hat, funktioniert jetzt nicht mehr. Erwartungen, Ansprüche und Prioritätensetzungen haben sich gravierend geändert – man denke etwa die Prioritäts- und Mentalitätsunterschiede zwischen der Babyboomer-Generation und der aktuellen Generation Z, beispielsweise was die berühmte Work-/Life-Balance, Arbeitszeiten, berufliche Bindung, Mobilität, Umweltbewusstsein, etc. anbelangt.

Auch die Ansprache dieser Zielgruppen läuft völlig anders. Abhängig von den jeweiligen Job-Zielgruppen sind soziale Medien mittlerweile oft weit effektiver im Recruiting als traditionelle Kampagnen in traditionellen Kanälen, bisher erfolgreiche Ansprachen funktionieren – für viele überraschend – nicht mehr so gut wie gewohnt. Es heißt also, zielgruppengerecht Kanäle zu nutzen und neue, attraktive Angebote zu schnüren, um für potentielle Mitarbeiter attraktiv zu sein.

Im Recruiting innovative, kreative Unternehmen werden also deutliche Vorteile verbuchen.

Ein tatsächlicher Mentalitäts-Wechsel, weg von durchaus immer noch anzutreffende „Mitarbeiter-sind-Arbeitsvieh“-Haltung hin zu einer auch glaubhaft gelebten „Mitarbeiter-sind-unser-wichtigstes-Gut“-Einstellung ist zwingende Voraussetzung für wirkliche Neuerungen.

Dass Geld bzw. Gehalt zur Bezahlung erbrachter Leistungen langfristig ein Hygienefaktor ist, ist weitläufig bekannt. Individuelle Incentives sind zwar nichts Neues, aber dennoch interessant und erleben ein Revival: für den Einen zählen materielle Anreize, für den Anderen immaterielle, die richtige Mischung aus Qualität und Quantität ist entscheidend. Der Dienstwagen als Universalantwort hat längst ausgedient.

Nicht nur, aber gerade auch für Frauen bzw. Familien sind Teilzeit- und /Betreuungs­möglichkeiten wichtig. Flexible Arbeitszeit­modelle und hoch skalierbare Remote-Work-Anteile werden immer wichtiger – Vier-Tage-Woche und das Vertrauen, dass auch bei hohem Remote-Work Anteil die Leistung erbracht wird, gehen Hand in Hand.

Virtualisierung, gleichzeitig Wahrnehmung der sozialen Verantwortung des Unternehmens, individuelle Entfaltungsmöglichkeit, gleichzeitig Wertschätzung von Leistung und Erfahrungen – die Flexibilität der Unternehmen für individuelle Regelungen ist also gefordert!

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